rainman

nachdem mein router von den toten auferstanden und meine bisherige blaue simkarte durch eine potente ergänzt worden war stellte ich fürbass erstaunt fest, dass das von mir ins augegefasste nächste ziel nichtweit war und, trotz sinkender sonne, am abend noch erreicht werden könnte. gedacht, getan. ziel war die alte papierfabrik in ebertsheim, eine beeindruckende anlage mit einigen hallen, häusern und höfen, grandios für wohnen und kultur, arbeit und feste.

mein standplatz ein etwas hermetischer ort… aber immerhin konnte ich die wolkenbrüche des neuen tages im wagen aussitzen und mit schreiben, lesen und körperpflege gut überstehen. die begeisterung der beiden ersten einwohner, die ich beim vorfahren getroffen hatte, schien nicht weit zu tragen, niemand kam mich zu besichtigen und von  führung durchs projekt war entsprechend also kein reden mehr. danun der nächste tag mit sonne aufmachte und diese laut netz auch beständig sein würde sattelte ich das mtb und fuhr gemütlich die paar kilometer nach grünstadt runter. mich erwartete eine gepflegte innenstadt, zufriedene bewohner an cafés und vor eisdielen und eine freundlicher, aufgeschlossener menschenschlag. eine erstaunliche reihe schöner gespräche waren zu vermerken.

noch eine nacht verbrachte ich die wandlang und traf am nächsten morgen noch ulla, projekturgestein seit 1985, die mir ein paar eindrücke vermittelte… dass die alte papierfabrik gut dasteht mit auch reichlich nachwuchs und dass von den gründermüttern und -vätern doch auch mehr als ein dutzend verblieben sind. durfte mir wasser in der küche holen und spürte die kunstvolle und irgendwie alternative wohnlichkeit eines lange und gut gewachsenen projekts. durfte ein paar fotos machen und tat meine tüte in die graue restmülltonne.

als nächstes sollte es mal wieder eine stadt sein von irgendwie akzeptabler grösse, in der ich mein schild aufpflanzen würde und so nahm ich die 100 km nach karlsruhe auf mich und unter die fetten treckerräder. ein “quartier” hatte ich gefunden, ein mehrgenerationenprojekt, “am albgrün” geheissen. die erste schlechte nachricht war dann, dass es definitiv auch nicht die ahnung eines stellplatzes für mich und mein gespann um das projekt herum gab.

panik liegt mir fern aber eine gewisse unruhe spürte ich dann doch, in den letzten minuten  der sinkenden sonne noch ein schlupfloch für die nacht finden zu müssen. aber da im prinzip ein guter stern über dem weniger. projekt steht fand es sich dann und sogar nur einen halben kilometer die strasse runter am bahndamm.

der nächste tag wieder einer der etwas muffeligen häuslichkeit, regen ohne ende und fast ohne pause. in den pausen freundliche nachbarn am wagen, fragend, fotografierend. wer sich dagegen nicht muckste, das waren die leute vom projekt, denen ich am abend noch einpaar zeilen auf die angegebene email geschickt hatte. so nährte ich mich einfach von den guten vorräten, las in  thomas metzingers “bewusstseinskultur” und lauschte dem zischen der intercityexpresse und dem rumpeln der langen güterzüge auf den gleisen hinter den gärten.

der samstag nun machte tatsächlich wieder mit sonne auf und obwohl ich unbedingt weiterwollte trieb es mich genauso unbedingt doch noch in die grosse stadt. stand auf der kaiserstrasse meine zwei stunden und hatte eine reihe interessante und auch schöne gespräche.

schliesslich machte ich am albgrün projekt noch ein paar fotos und sieheda, eine tür öffnete sich und eine frau um die vierzig stellte sich als projektlerin vor, sie hatte mich wohl schon mit dem gespann vorbeifahren und nun vom balkon aus das weniger. schild aus dem roten tornister stippen sehen. tja, sie könnte ja nicht jede email lesen, sorry. ich fragte ein bischen, jetzt, wo ich doch noch einen kontakt hatte. die grossen ereignisse des jahres seien das gartenfest von zuletzt und die beteiligung am radelmarathon gewesen. im übrigen seien die berufstätigen mit kindern mit sich selbst genug beschäftigt, die alten träfen sich aber wohl schonmal zum boule. auf meine direkte frage nach ihrer zufriedenheit doch ein erstaunliches zögern. immerhin habe man sich ja so eine gute und noch günstige wohnmöglichkeit in einem problematischen wohnungsmarkt erarbeitet.

als tagesziel hatte ich schernbach auf einem schwarzwaldhochplateau anvisiert, auf meinen kleinen lieblingsstrassen  80 kilometer. in bad wildbad, nach zweieinhalb stunden und so 50km, brauchte ich nach dem flotten  tag eine belohnungspause, holte mir beim discounter etwas bioobst und drei berliner, deren toller marmeladensüsse ich nun nicht wiederstehn konnte und die ich also auf einen sitz verzehrte. und müdigkeit holte mich ein, auch zog wieder ein regen auf und so rettete mich die freundliche lidlleiterin für die nacht, ich durfte am platz bleiben. und als ich montagfrüh immer noch da war grinste sie…ja, der sonntag war übel und sie hatte sich das schon gedacht.

übel waren sonntags wieder prasselnder dauerregen mit starkböigem wind… doch nutzte ich zwei ruhigere stunden um das bad zu erkunden. sah einiges an bismarckcharme, eine moderne thermenanlage und auch etlichen leerstand, aber nicht zu vergessen das stattliche rote festspielhaus. vor dem ich mich, als am montag die sonne wiederkam, doch noch in position brachte.

was zunächst nach einer sehr einsamen aktion aussah wurde doch noch munter, eine interessierte nachfrage nach der anderen, der ordnung halber auch eine freundliche junge frau vom ordnungsamt und zum abschluss zwanzig minuten spannender austausch mit einem zigarillorauchenden kurgast.

und als ich nach zwei stunden denn zu meinem edekalidlplatz zurückkehrte hatte sich die welt völlig verändert. und ich verstand, wieso man bei lidls gutgelaunt und grosszügig sein konnte. ich fischte mein doch jetzt wirklich querstehendes gespann aus dem trubel und machte mich wieder auf,  hinauf auf die höhen des schwarzen waldes. schernbach im visier.