gott ist geflohen, aber ullrich ist da

mir schwante schon was. eine gemeinschaft, die beschlüsse per “innerer stimme” und “höherem selbst” (aus der selbstdarstellung bei “eurotopia”) fasst, ist ein gefährdet ding. eine ganze seite nimmt das projekt “delfin-gemeinschaft-wege zu gott” bei eurotopia ein. und untertitelt: “ökodorf-institut für wohnprojekte.” es wird fabuliert von projektzentrum, bio- und buchladen, landbau, freilassender liebe, ruhe-oase rauchfrei, funkfrei undsoweiterundsofort, das ganze alternative ökodorfpaket. vollständig.

geblieben ist jedenfalls das schöne alte schulhaus. ich gehe ums haus herum, rufe laut hallihallo, wie auf dem zettel an der haustür anempfohlen. im garten vertrocknende bäumchen, die hoftür sperrangelweit auf. irgendwann kommt b., ein eher niedergeschlagener mensch, wohnt nicht da, versorgt die katze und kann dafür das noch vorhandene wlan nutzen und es soll noch einen untermieter geben hinter einer hellen holztür, der ist aber meistens nicht da. wie im übrigen auch karl heinz meyer, der herr des “instituts”. und eigentlich läuft hier nichts, mal eine prana wanderung, aber auch das eher selten. sagt b..

b. rät, ich soll den parkplatz des kindergartens hinterm haus nehmen, da wär zurzeit ja kein betrieb, ja, und den wasseranschluss zeigt er mir auch, ich soll aber niemandem sagen, dass er die tipps gegeben hat. die hoftür bleibt übernacht auf, wohl für die katze und fürwenauchimmer. an die kindergärtnerinnen, die mich um zehn vor sieben, autotürenschlagend und etwas genervt von ihrem parkplatz scheuchen, verrate ich b. jedenfalls nicht.

man möchte meinen, an phantasie und selbstbewusstsein fehlt es dem meister des wegs zu gott und zu gemeinschaft offenbar nicht. doch irgendetwas ist vor ort schiefgegengen. aber das leben ist voller wundersamer fügungen, gell.

denn ungewaschen und unleidlich wie ich noch bin suche ich trost auf dem nächsten anstieg, den schon die morgensonne bescheint und entdecke weithinten die schneegipfel der alpen. und wie ich so vor mich hinstaune kommt einer mit einem etwas ungewaschenen weissen zoe den feldweg hoch, auf der tür das bioland emblem, ein biobauer auf dem weg zu seinen sieben kühen, die gemolken werden müssen. er schimpft ein bischen über seine plattgefahrene wiese, lädt den weniger. mann auf dem rückweg aber gleich zum frühstücken ins bauernhaus ein, “ein bischen angeben”, wie er sagt.

der herr schaut über sein tal… nein, so denn natürlich nicht. auch wenn sein reich doch 30 ha misst, der letzte acker vier kilometer weg, realteilung halt. ullrich gottschalk, so heisst der biobauer, gelernter kfz mechaniker wie landwirt,  lebt in einem holziggemütlich alten bauernhaus, echt rustikallebendig und mit niedrigen decken, es gibt eine drinnenkatze, eine draussenkatze (die sich aber füttern und auf dem fensterbrett streicheln lässt), einen zentralen alten holzofen, selbstgebackenes brot auf dem tisch und einen earl grey und ein döschen frischkäse für den fahrenden. das handfeste nachhaltige tun fängt damit an, dass ullrich seine sieben mit der hand melkt, dass er einer der ersten im tal war, der photovoltaik auf dem dach, ein elektroauto und einen selbstgezimmerten elektrotrecker unterm hintern hatte. besonders gern erzählt er auch, wie er seinen kuhstall aus einer abgerissenen alten scheune selbstgestrickt hat und überhaupt merkt man, wie gern und kundig er mit eigener hand und nachbarschaftlicher hilfe sein reich arrondiert, scheunen und schuppen erstellt. im wunderbaren gemüsegarten (und sicher an vielen anderen stellen) ist seine, wie er sagt, partnerin unterwegs, tatsächlich auch und vor allem als hebamme. beide haben vor zeiten zusammen mal in einer art kommune in der gegend gelebt, aus der sie dann hinausgewachsen sind. ullrich vertreibt seine kartoffeln, sein gemüse und vor allem seine milchprodukte direkt und mit seinem elektrozoe, für die kundenrunde reicht eine stromladung genau. im übrigen kennt er  den herrn des delfins als nachbarn. und da hören die gemeinsamkeiten offenbar schon auf. ich grüble, woran es liegt, dass es dem einen gelingt, dem anderen scheinbar nicht so. aber vielleicht ist ja karlheinz mit seinem “ÖKODORF-institut” für anderleuts junge projekte auch ein guter berater. sicher sogar.

also jede menge grund zum angeben. und viel interessantes leben für den fahrenden. ullrich, dank für deine zeit und offenheit…