und weiter nach lüdenscheid: am “neubeginn” stehen 21.-24.7.

die fahrt hatte es in sich, 65 km im regen, die scheibe also zugeklappt, was den lärm nur vergrössert und alle paar sekunden den antiken wischer bedienen, dauerlauf kann der nicht mehr. was ein unglaubliches getöse und geruckel. aber hat auch was. endgültiges.

christa erwartet mich am gartentörchen, hat das gespann schon begutachtet, muss meine frage nach einem platz auf ihrem gelände aber abschlägig bescheiden, alles voll. duschen könnte ich aber, toilette, tolle grosszügigkeit. aber ich brauch eigentlich nur wasser. und die platzlösung hat christa auch schon parat… ein spuckweit gegenüber der wanderparkplatz, da stehen auch sonst schonmal welche. ich rangiere also rüber, der platz genau richtig für mich.

irgendwie hab ich mir die welt wohl ohne berge gedacht. jedenfalls geht es von hier, was noch nicht richtig lüdenscheid ist, noch so sieben kilometer ins städtchen, davon vier stetig bergan, fast 100 höhenmeter. das gemeinsame aller besuchten orte: ein steiler anstieg führt zum ziel. auf der ersten kuppe erwartet mich ein kleiner friedhof mit einer wunderbaren aussicht und der schmiedeeisernen verkündigung: TOD der das TOR zum leben ist. ich denke an friedhof der kuscheltiere und frage mich, ob hier schon eine schar  überforderter radler  die letzte ruhe gefunden haben mag.

je näher ich dem ziel komme, desto feudaler die villen, ein gutsituierter hügel, vieles aus üppiger gründerzeit grüssend. fahre eine lange mauer entlang, stutze, ein überdimensionierter grünspaniger hinterkopf  erheischt meine aufmerksamkeit. mein erster impuls: nazizeug. und so ists denn auch. auf den ursprünglichen plan, ein denkmal der gefallenen von WK I, mit einem gefallenen mann zu errichten haben sie 1935 eine pose des mächtigen mannes draufgesetzt. natürlich reizt mich das zum widersprechen. gleichzeitig ist es doch heute ein wunderbar ruhiger ort und bei allem kolossalem hat der ort doch auch eine stimmige form. das ist ein bischen so wie bei rewes: eigentlich ist der überfluss zum kotzen. es wäre aber unaufrichtig abzustreiten, dass er auch ein bischen paradies atmet.

unten erwartet mich eine überraschung. lüdenscheid kommt mir urban vor, im zentrum helle plätze, eine gelungene mischung aus alt und neu. auch das neue an architektur mit substanz. soweit ich das beurteilen kann ein erstaunlich lebenswerter ort. die nachfragen zum schild halten sich in grenzen, thilo von den lüdenscheider nachrichten macht ein foto, vielleicht haben sie noch platz dafür in der ausgabe. und eine begegnung mit yussuf macht mir richtig freude. yussuf ist vielleicht 75, einige zähne vorn fehlen ihm, ein fülliger mann mit lockerem zeug an und strahlt, wir parlieren vorzugsweise in englisch, er hat aus jordanien weggemacht und in 35 jahren lüdenscheid wohl nicht mehr als ein paar brocken deutsch lernen wollen, deshalb in fabriken gearbeitet, wo sprache nicht so die rolle spielt. sein zeigefinger seine beste waffe, sie zeigt im wechsel in den himmel, “god” und auf die linke brust, “heart” und dazu zitiert er  in einem fort suren aus dem koran, arabisch, guttural, einfach wunderbar. und strahlt und strahlt und wir strahlen, radebrechen und verstehen uns. irgendwie. mit dem herzen, wie st.exupery gesagt hätte. eine wirklich nährende, herzliche begegnung. beim abschied sagter, dasser koran, bibel, thora gleichermassen gern liest. ich glaub ihm das mal.

am morgen ein nebel über dem kleinen tal. ich werde noch einen weiteren tag hier bleiben. vielleicht etwas kürzer treten. obwohl… es ist rasier- und waschtag, tag der leibesübungen, es muss eingekauft werden, müll entsorgt werden aller art und rauf nach lü muss ich unbedingt auch noch mal. tja. die weniger. rallye scheint eine fordernde unternehmung zu sein. aber das wusste ich ja.
um elf zum zähneputzen gesellt sich gabriele zu mir, lässt mich erzählen, fotografiert den wagen, die worte. sieselbst lebt seit acht jahren in “minte” wie sie sagt, macht medidationssitzungen und praktiziert als heilpraktikerin. und lädt mich zum abreisetag morgen nochmal zum mittagessen in die gemeinschaft ein. ich freumich, auch wenn halb eins essen bedeutet, dass ich spät wegkomme. aber stehen kann ich schliesslich an vielen orten.
der anstieg nochmal nach lü hoch ist heute keineswegs leichter. die leute nicht kommunikativer auf der platte. aber yussuf gesellt sich wieder zu mir, wir plauschen wieder aber sein alter in jahren will er mir nicht sagen, einen tag sagt er, heute ist er. und natürlich. ein foto, was ich euch zeigen könnte krieg ich auch nicht genehmigt. aber so isser. gewesen. ich kaufe die “lü nachrichten”, aber thilo hat offenbar sein foto noch nicht untergebracht, aber zeitung überhaupt mal wieder ist nicht schlecht.
jetzt am abend sehr unbekannte vogelstimmen um mich herum, hundefreunde mit ihren lieblingen vorbei und vor dem küchenfenster die gemütlichen kühe im abendlicht.

tage später. diese ergänzung braucht es, unbedingt. sonntag mittag ein köstlich leichter imbiss bei den leuten von neubeginn und gabriele führt mich noch durch den seminarbereich und  ihre eigene lebens- und wirkstätte. und als krönung zeigt sie mir die kapelle, gebets-, meditations und einfach innehaltensort für jedermann, jedefrau. ich bin, ehrlich gesagt, sprachlos vor soviel schönheit und liebe im kleinen, was hier in 38 jahren entstanden ist, ein romantischer traum. in den räumen aber auch an rückzugsorten auf dem üppig blühenden gelände. ein herzliches dankeschön…
und ein p.s: gabriele sagt, neubeginn sucht noch neue leute. nichts wie hin!