und schön weiter… 19. bis 21. juli: lebendiges haus in siegen

ich will ganz ehrlich sein. den berg rauf zur gemeinschaft hab ich jedesmal ein stück  geschoben. was ein krasser anstieg… auch für den mountenbiker, den alten jedenfalls. mit dem deutz verfranse ich mich zunächstmal, fahre am schmalen gässchen vorbei. und dann  diese melanchthongasse im zweiten gang hochgekrochen. vorbei an schicken villen, feinste lage, am hang über der stadt und südwesten noch. und irgendwie sehe ich mich oben schon irgendwo in der gasse feststecken. doch dann weitet sich der asphalt noch einmal, rechts kommt wald, davor ein geräumiger wendehammer und zum tal hin: lebendiges haus, ein schöner und solider komplex.

eine junge frau hört sich meinen text zum gespann, dem vorgefahrnen an, nicht uninteresseiert und eilt, yannik zu holen, der wär der richtige. ist er denn auch, der stämmige, ist foodsharer, verschenker und der meinung, dass viele zustände auch in  siegen gedreht werden müssen. organisiert gleich das mit dem stellplatz fürs gespann und lädt mich umgehend zu foodsharetreff und verschenkertag ein. dass es so toll weitergeht… Ihr habt wohl die daumen gehalten. und walter kommt vorbei, der herr der gärten. und weiss direkt, was der treckerfahrer braucht: einen kasten wasser und einen zwanni für die spritkasse. bin echt gerührt… danke, walter!

ich selbst mache mich auf, meiner vornehmsten pflicht, dem stehn mit dem wenigerschild, nachzukommen. es ist richtich schweinemässig heiss, ich mache den berg runter und hab nur eine sehr entfernte ahnung, wo ich hinmuss. ich kreuze  also ein bischen, ein junger mann, typ student, ignoriert mich einfach, meine frage nach siegen city , auch die nachfrage. bin erkennbar luft für ihn, den mann mit den bluetoothsteckern im ohr.  er entschwindet durch die automatische tür einer sparbank. brave new world. demnächst fragen sowieso alle nur noch ihre handies, so isses wohl gedacht. alterchen. aber der nächste ist doch freundlich und hilfsbereit und so lande ich auchbald an der renaturierten sieg, durch die man, auf ein paar steinen balancierend, zurzeit durchwaten könnte. siegen erscheint mir als besondere mischung aus verkehrsberuhigten wohlfülecken mit geplegten geschäften, gepflegter gastronomie, ausreichend flanierplatz und grosszügigen steinstufen fürs geniessen der siegromantik. und natürlich grosszügig modernen einrichtungen der universität. und bizarren betontrassen, die in grossen bögen und anstiegen durch die siegenstadt pflügen, bevölkert von erstaunlich vielen tiefergelegten köpfen mit gewaltig ps. zum startzielgebaren von ampel zu ampel. den sonnenradler zu schrecken. so what. ich ziehe ja weiter. habe aber auch begriffen, dass siegen nicht so flach ist wie in meinem kopf sondern, dass es, kommt man von der sieg weg, sehr bald den hang hochgeht. auch die strecke zu yanniks foddsharingtreff führt stetig bergan. leider hab ich bei der uhrzeit wohl was missverstanden und bin vielzufrüh. schau mir noch dieses nachbarschaftshaus an, in dem dort für kleines geld klamotten und hausrat verkauft wird und eben food verschenkt. und geniesse dann die ewig weite abfahrt. esse mein müsli auf meiner veranda, hundegänger flanieren vorbei, schaun aufs weniger., grüssen freundlich. und eine ältere dame, frau b., stellt sich im vorbeikommen als gründungsmitglied der gemeinschaft vor, erzählt lebendig von alten zeiten vor vierzig jahren, als das lebendige haus noch alten- und pflegeheim war und von der entscheidung gegen ein reines pflegeheim und für ein mehrgenerationenwohnen vor so sechzehn, siebzehn jahren. so konnten  das geliebte haus und das schöne kirchlein der christengemeinde unangetastet überdauern. am abend wieder gut geplättet. mein reise rhytmus wird frühschlafen und frühauf.

wieder einige schöne gespräche mit bewohnern und flaneuren und flaneurinnen. oder heisst es flaneusen. werweiss. peter, auch ein urgestein kommt mit seiner frau roswitha, was ein lebendiges älteres paar. peter rechnet und kommt auf verbliebene 6 alte leute und, bei 21 wohneinheiten, 40 leuten insgesamt. macht nach adam riese sechs alte aber 34 jüngere, die sich wohl auch auf wohngemeinschaften verteilen. christina kündigt an, mit ihrem sohn am abend vorbeizukommen, der hat auch so einen grünen alten trecker. yannik hat gegen mein vorhaben graffito nichts einzuwenden. leider fühlt sich die nette alte dame von gestern gestört, sagt, sie hat was gegen diese schmiererei überall. ich sage, ich versteh Sie, aber das ist mein geschenk an die gemeinschaft. was sie nicht erkennbar tröstet. eine schöne stunde bei patrick und yannik im kulturzentrum bei verschenkertag, immer mittwoch. ein stetes kommen und gehen, bringen und mitnehmen. ein mann, typ grüner lehrer, zieht aus seinem auto eine wunderbare stehlampe, eine kleine glastüte nach oben, eine grosse  nach unten gebogen, das ganze ein verlauf von warmrotorange nach dottergelb. ein traum. nur eben nicht für den bowo. ich lassie allso da.
jetzt genuggeschwatzt. nachdem das gewitter wegist bleibt stetigen regenrauschen, es ist abgekühlt, woran ich mich jetzt auch wieder gewöhnen muss. jetzt mal abendessen noch. vor zehn. und morgen die rituale der abreise und hoffen dass der regen dann wegist. und gegen elf weiter. wohin, wird noch nicht verraten.
jedenfalls hab ich gleich mein erstes soll erfüllt, die erste marke erreicht: 4 tage, 4 wochen, vier monate. vier jahre. naja.