(den beginn der story zu schloss tempelhof siehe den letzten beitrag „wir länger gelebt habende +55“)
yes, bin sicher ein alter kritikaster, jojo. aber vor allem wohl ein verrückter. romantiker.
meine anderthalbliterflaschen, in denen ich im wagen mein trinkwasser bevorrate, passen einfach unter keinen kran in den waschduschräumen. die aussenzapfstellen noch ohne druck und die frau, die vor der badeanstalt im beet die erde lockert rät mir, rüberzugehen zu den beiden dörflern, die dort kleinkübelgrosse löcher buddeln, die wohl junge bäume aufnehmen werden. als ich ankomme lamentieren sie, eher, wie es scheint, unlustig, über irgendwelche neuen gemeinschaftsbeschlüsse und stehen meinem wunsch nicht weniger. unlustig gegenüber. zwei kästen wasser … ob ich denn angemeldet wär ist das problem des jungen mannes vorn, ich sage, ja natürlich habe ich bezahlt und sogar überzahlt, weil ich mich jetzt wieder davonmache so früh, nach einem halben seminartag schon. mit meinem gespann. sage dem vornstehenden, dass ich an diesem ort von ihnen hier eigentlich zumindest ein bischen offenheit, freundlichkeit, entgegenkommen erwarte und dass ich aber ganzgenau diese erfahrung in grossen gemeinschaften gemacht habe, dass an die erste stelle das regelwerk einer geschmeidigen dörflichen bürokratie getreten zu sein scheint. während es doch um herzensdinge gehen soll. und sie sich auf die fahnen geschrieben haben, uns unwissende in klugen runden, seminaren, wörk schopps da heranzuführen.
gegen sehr gutes geld. naja, ich will nicht nur ungerecht sein. das workshop-seminar-pfingstwerkstatt „wir länger gelebt habende“ haben die tempelhofer schlossbewohner sehr routiniert organisiert, meine frage nach der herkunft des schwurbeligen arbeitstitels beantwortet die leitung sehrbald, dass der nämlich von „unseren jungen leuten“ im dorf aufgebracht worden ist und das durchaus mit, wie sagt sie, erkennbar besonderer sprachlicher wertschätzung für uns alte. und dass wir schon am nächsten tag gelegenheit haben werden, diese jungen menschen kennenzulernen. die pfingstwerkstatt hat sich, zur völligen verblüffung auch der seminarleitung, auf 48 zahlende leute aufgeplustert, sag ich mal: scheint die schwurbelige wertschätzung einen gut fruchtbaren boden gefunden zu haben. bei den ich glaube 38 älteren weiblichen „gästen“ offenbar also noch eine erstaunliche fertilität… wir werden dem alter nach aufgestellt, das geht von jungspundigen 55 bis 80 hoch und ich bin der ich glaube viertälteste. und wie es sich anhört ist doch ein gutteil der leute angereist in der suche nach partnern und anschluss an gemeinschaft. normal. lebensnah. lebenspraktisch. wir werden am sonntagabend einen „bunten abend“ machen, ich glaube mit singen, texten. und näherkennenlernen. jetzt werden wir in kleingruppen aufgeteilt, ich bin mit drei tollen frauen in einem vierer und unsere unterhaltung über ich glaube sowas wie „was war bisher im leben los“ und „mit welchem ziel hier“ macht mir richtig spass. soviel so unterschiedliches lebendiges gelebt haben. und diese viererbande soll die ganzen zweieinhalb tage unser „home“ sein.
dazu lasse ichs dann aber nicht mehr kommen. ich schau mir pfingstsamstagmorgen, just bevor die werkstattglocke zum allgemeinen sammeln ruft, die ausgehängten tagespläne an und habe das sehr sichere gefühl, dass wieder losfahren, weiterfahren, mein stillsein unterwegs, meine übungen draussen im sonnenschein das sind, was ich jetzt gleich als nächstes wieder will. und keineswegs mir in tagfüllenden, dreieinhalbstundenarbeitsblöcken die verzagtheiten, träume und begeisterten pläne anderer älterer leute anhören. und weil ich desweiteren erstens die frage nach der schwurbelwurzel des titels erklärt bekommen habe, zweitens meine obligate nacht in tempelhof jetzt verbracht habe, drittens sich mein eigenes thema brautschau zwischenzeitlich wieder erledigt hat, ich viertens und vor allem ja schon auf meinem lebensweg des unterwegsseins bin und fünftens keine sekunde zweifle, dass mir auch in zukunft die lebendigen lebensideen nicht ausgehen. und ich zuletzt bunte abende fürchte wie der teufel das weihwasser. und auch keinen bedarf habe, die sensibeljungen erfinder von „wir länger gelebt habende“ persönlich kennenzulernen. ich mache noch eine, nach meinem empfinden, uninspiriert manngeleitete meditationsübung mit und dann eine intimrunde der etwa zehn männer, in der uns ebender mannleiter darauf einschwören will, uns doch heute mehr als männer in den blick zu nehmen, von mann zu mann eben. oje. damit habe ich mich vor zeiten des mauerfalls schon beschäftigt. ich sage der leiterin agnes, dass ich schon aussteige, lasse mich im essbereich von einer missmutigen frau darauf hinweisen, dass ich die grenze des uns kursteilnehmern zugewiesenen raums wohl verletzt und mich auf bewohnergelände verirrt habe, trinke dann aber noch einen grossen kaffee und mache mir für unterwegs die kargotaschen voll mit äpfeln und bananen. bezahlt isja.
vielleicht gibt es einfach ein strukturelles problem in gemeinschaften, wenn sie zu einem gutteil mit seminarbetrieb über-leben. die regularien der zuschüsse aus allen möglichen töpfen müssen beachtet werden. das, die aquise für und das durchführen von seminaren erfordert eine kundige bürokratie. mit lust an der entwicklung und performance und einem eher naturwüchsigen steten vorsprung an wissen und gestaltungskraft vor dem rest der lebensgemeinschaft. wie ich aus einigen gesprächen in gemeinschaften mit seminarbetrieb herausgehört habe, überfordert diese dynamik nur-bewohner leicht, sie wünschen sich nicht selten ein weniger, ein nicht immer neue fremde mit immer denselben fragen, ein weniger an rummel, unruhe und ausgestelltsein. wo schon der normalbetrieb für viele sehr fordernd ist. manche an sovielen auffassungen sovieler leute in grösseren gemeinschaften schier verzweifeln… und nicht ohne grund heisst es seminar-betrieb. betrieb, wirtschaftsunternehmen eben. leute, denen mann doch gern auch „herzens“bildung nahebringen möchte nennt mann „gäste“, gäste wie im hotel, im restaurant, zuletzt also doch bloss kunden. zahlungskräftige in der regel. ein drahtseilakt.
die sache mit dem frischwasser für auf den weg liess sich dann noch friedlich klären. die jungs waren scheints doch von meiner etwas massiven ansprache beeindruckt und baten mich mit meinen kästen zum auffüllen in die küche ihres wohl gutneuen gemeinschaftswohnhauses. und zur routenplanung auf meiner kleinen schäferwagenveranda gesellten sich in ihrer sonnenbeschienenen mittagspause noch einige neugierig-interessierte seminarteilnehmer und -teilnehmerinnen, besonders gut in erinnerung ist mir thomas, trauerredner und comedian…wie altersspannend das.
und losgefahrn op heim aan, wie der kölsche sagt. quasi eine runde drehend, hin nach schloss t. auf der linken rheinseite durch eifel und pfalz und zurück nun rechtsrheinisch, wind so kalt – westerwald, sowas. und immer nur land- und kreissträsschen und sowas führt einen dann eben auch nach nassau, wo es zu dämmern begann und ich mich einfach an die strasse stellte an einem ortsausgang mit tümpelblick. eine besonderheit hier war, dass es wirklich kei ner lei netz gab, auch da nicht, wohin zu stellen mir der nette dörfler riet. es bleibt die frage offen, ob dieses dörflein was mit nassau/bahamas zu tun hat. aber dass mann von hier aussiedeln wollte, scheint mir verstehbar, auch zweihunderthjahre zurückgedacht.
hätte nicht gedacht, dass sich bruder a. zur heiligen pfingstzeit in würzburg aufhält, aber, 30 kilometer vor den toren vorbeiknatternd, hab ich doch mal nachgefragt und oh wunder. und einen sicheren standplatz gefunden und einen wirklich wunderbaren tag verbracht mit schönen gesprächen, tiefen einsichten und natürlich vielen alten geschichten. und ein stückchen der endlosen weinhänge abgeschritten oberhalb des flusses und den köstlichen fürstbischöflich barocken park und den tag beschlossen beim feingastlichen mahle auf einem sehralten hospizhof, heute der guten
gastronomie gewidmet. und ausgestorben geglaubte arten beobachten können. tischevoll mit burschenschaftlern mit ihren bunten bauchbändern und altherrenkappen. das gibts noch. hihi. würzburg. und wahrscheinlich auch garnicht so witzig.
abends ankommen in gemeinschaft oder unverbundenes stehn an irgendeinem strassenrand und keine gemeinschaft, einladung zum abendessen oder nur schaun aufs gemeindegelände. so bei der sannerzgemeinschaft in sinntal, 120 kilometer weiter richtung heimat. christenmenschen, eine handvoll sitzen weithinten im garten in der abendsonne, das gebäude sehr typisch für die gründungszeit, die zwanzigerjahre des letzten jahrhunderts.
niemand nahm offenbar von meinem rangieren, draussen vor der tür, notiz und ich drängte mich nicht auf, zumal ich nicht christlich bin und auch nicht weiss, wieweit ein engagement für den erhalt der „schöpfung“ ins bild der sannerzleute passt. der liebe gott jedenfalls hatte eine prima nacht an einem lichten ort für mich parat.
noch einmal gute hundert kilometer weiter die lebensgemeinschaft berstadt, irgendwas von zeggnähe hab ich im kopf, versuche, experimente, neue wege in sachen liebensdingen. es regnet anhaltend, die wischerreparatur also so richtig wie was. ich verfranse mich im örtchen, schmale rumplige strässchen, rückwärtsrangieren und dann mittendrin, in einer schmalen, unspektakulären strasse in einem für meine regenoptik unspektakulären haus die liebesleut. kein platz fürs gespann, kein wetter zum spazierengehen und so such ich mir etwas ausserhalb was für die nacht, lass mir den regen aufs blechdach trommeln und auch diese lebensgemeinschaft bleibt unbehelligt mit meinen weniger.dingen.
hier bin ich schon im letzten oktober an einem schon schweinefrischherbstlichen nachmittag vorbeigekommen und villa pappelheim schien mir trutzig abweisend damals und ich habe gezögert, den schwenk über elbtal-hangenmeilingen, diese „ein neues wir“ gemeinschaft, nochmal zu machen. aber erstens liegts mitten auf meinem heimweg und zweitens hatte ich die einladung der jungen frau in erinnerung, die mich, damals schon einige kilometer weiter richtung köln, auf offener strasse mit ihrem kleinen fiat ausgebremst und, freudig ob meiner weniger. botschaft , gedrängt hatte, beim nächsten mal unbedingt bei ihnen einzukehren. also gut.
keine ahnung, wieso ich diesen perfekten standplatz und sogar nur ein spuckweit weg im herbst nicht gesehen habe, but however. vielleicht ist es jetzt der milde des tages geschuldet, dass ich also an diesem platz mit wundervoller aussicht anker werfe. immer wieder sonne und ich spaziere rüber zur villa. es trifft sich, dass luna, die baumflüstererin, gerade in ein auto steigt und dabei doch noch einen blick auf mein gespann hinten wirft. ich halte sie auf, wir reden ein paar takte und sie schliesst die autotür wieder und nimmt sich volle zwei stunden zeit für mich. den unangemeldet vorgefahrenen. führt mich durch den verwunschenen garten zwischen haus und pappeln, zum teil wild zugestrüppt und mit wundervollen lichtungen, gemüsebeeten und einem dutzend hühnern wohlverborgen unter einer ausladenden kirsche.
sie erklärt mir, dass elbtal nicht mit dem fluss, wohl aber mit elfen zu tun hat, dass sich ein keltischer kraftplatz nahebei findet, zeigt mir einen friedensbaum, den sie gepflanzt hat, eine besondere art, erzählt von ihrer mission als baumflüstererin, wie wir mit bäumen reden und kraft schöpfen könnten. wenn wir genau hinhören und spüren, dann erzählen sie uns uralte geschichten, heisst es. und lädt mich zum gemeinsamen pflanzen meines friedensbaums, irgendwannmal vielleicht. und erzählt von ihrem musikduo mit partner micha und von einer grossen veränderung, die vielleicht bald auf sie zukommt. und wir trinken tee im gras im sonnenschein. und vielleicht machen wir das ja wirklich mal mit dem friedensbaum, luna und hildegard und ich. und dann hab ich sie genügend in anspruch genommen und verabschiede mich herzlich in richtung schäferwagen. und nehme noch ihren prospekt „baumflüstern“ mit und finde da ein gedicht: von erich kästner.
die seele wird vom pflastertreten krumm.
mit bäumen kann man wie mit brüdern reden
und tauscht bei ihnen seine seele um.
das gefällt mir.
morgensonne auf meiner terrasse, der kaffee ist ausgeschenkt. da kommt micha rübergestiefelt zu mir, lunas musik- und lebenspartner, seine gitarre hinterm rücken. ihn zieht mein weniger. projekt an, will keinen kaffee aber wir reden eine sehr intensive stunde zwischenmenschliches, philosophisches und entdecken eine menge berührungspunkte und eine reihe verschiedenheiten und ich bedaure zwischendrin ein bischen, in meinem leben mit kindern nicht viel am hut gehabt zu haben und am schluss, als er mir sein dynamischschönberührendes „milan milan“ singt, mehr noch, kein sänger zu sein wie er. dies stück freiheit fehlt mir. however. jedenfalls bin ich, der einfach so hereingeschneite, beglückt von der so umstandslosherzlichen aufnahme bei den leuten vom „neuen wir“ in hangenmeilingen.
und der rest ist schnell erzählt. natürlich hätte ich auch durchfahren können auf meinen heimathof aber irgendwie war mir noch nach ein bischen rumtrödeln und da fiel mir die anthroposophenkunstschule alanus am vorgebirgsrand, in alfter, ein. aus alter zeit hatte ich noch ein eindrucksvolles gebäude in ortsmitte in erinnerung aber mein navigator führte mich zum offenbar irgendwie neuen eher klinischen verwaltungsbau am rande und der vorteil hier war, dass es üppigen parkraum gab und ich war dann froh als der regen kam, schon gut untergekommen zu sein. und am neuen morgen füllte sich der parkplatz rasant, es regnete ununterbrochen in strömen und so hatte keiner der anthrokunstbeflissenen auch nur ein auge für das kunstprojekt wenigerpunkt. however.
mnmnmnmn